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Hinauslehnen sei einfach Geistesabwesenheit, Unüberlegt-
heit gewesen, aber während des Schreibens bin ich zu einer
anderen Meinung gekommen. Ich glaube nicht mehr, daß
ich geistesabwesend gehandelt habe. Ich glaube, ich wollte,
daß er es sieht. Ich packte den Schraubenschlüssel.
»Was für Flecken meinen Sie?«
Er kam zwei Schritte näher. »Sie sind verletzt sieht
so aus, als hätten Sie sich geschnitten. Sie sollten...«
Ich schlug zu. Seine Mütze war bei dem Zusammen-
stoß heruntergefallen, und sein Kopf war unbedeckt. Der
Schraubenschlüssel traf ihn mit voller Wucht direkt über
der Stirn. Ich habe das dabei verursachte Geräusch nie
vergessen wie wenn ein Pfund Butter auf einen harten
Boden fällt.
»Beeil' dich«, sagte Nona. Sie legte mir ihre ruhige
Hand auf den Nacken. Ihre Hand war sehr kühl, wie die
Luft in einem Obstkeller. Meine Pflegemutter hatte einen
Obstkeller.
Seltsam, daß mir das gerade in jenem Augenblick wieder
einfiel. Sie schickte mich im Winter immer in den Keller,
um Gemüse heraufzuholen, das sie selbst einmachte. In
großen Gläsern mit Gummiringen unter den Deckeln.
Eines Tages ging ich in den Keller, um ein Glas Wachs-
bohnen für unser Abendessen zu holen. Die Einmachglä-
ser wurden in Kisten aufbewahrt, die Mrs. Hollis ordent-
lich beschriftete. Ich weiß noch, daß sie >Himbeeren
mer falsch schrieb, und daß ihre falsche Orthographie
mir ein heimliches Überlegenheitsgefühl verschaffte.
An diesem Tag ging ich an den mit >Himbeeren
schrifteten Kartons vorbei bis zu der Ecke, wo die Boh-
nen aufbewahrt wurden. Es war kühl und dunkel. Die
Wände waren aus Lehm, und bei nassem Wetter
schwitzten sie in tröpfelnden, gewundenen Strömen
Feuchtigkeit aus. Es roch nach einer geheimnisvollen
Ausdünstung, die sich aus Organischem, Erde und Ein-
gemachtem zusammensetzte, und große Ähnlichkeit mit
dem Geruch der intimen Körperteile einer Frau hatte. In
einer Ecke stand, schon seit ich zum erstenmal in den
Keller gekommen war, eine alte kaputte Druckerpresse,
und manchmal spielte ich damit und tat so, als könnte
ich sie reparieren. Ich liebte diesen Keller. In jener Zeit
ich war damals neun oder zehn Jahre alt war der Obst-
keller mein liebster Aufenthaltsort. Mrs. Hollis weigerte
sich, ihn zu betreten, und es war unter der Würde ihres
Mannes hinunterzugehen und Gemüse zu holen. Des-
halb hielt ich mich gern dort auf, sog jenen besonderen,
geheimnisvollen Erdgeruch in mich ein und genoß die
Zurückgezogenheit. Dort fühlte ich mich geborgen wie
im Mutterleib. Die einzige Lichtquelle war eine spinnwe-
benbehangene Glühbirne, die Mr. Hollis vermutlich
noch vor dem Burenkrieg angeschlossen hatte. Manch-
mal bewegte ich meine Hände und zauberte große Hasen
an die Wand.
Ich holte die Bohnen und wollte gerade wieder hinauf-
gehen, als ich unter einer der alten Kisten ein Rascheln
hörte. Ich ging hin und hob sie hoch.
Da lag eine braune Ratte auf der Seite. Sie hob ihren
Kopf und starrte mich an. Sie atmete schwer und bleckte
ihre Zähne. Es war die größte Ratte, die ich je gesehen
hatte, und ich beugte mich tiefer über sie. Sie war gerade
dabei, Junge zu werfen. Zwei dieser unbehaarten und
blinden Geschöpfe saugten schon an ihrem Bauch. Ein
drittes kam gerade zur Welt.
Die Mutter starrte mich hilflos an, bereit zuzubeißen.
Ich wollte sie töten, sie alle töten, zerquetschen, aber ich
konnte nicht. Es war das Schrecklichste, was ich je gese-
hen hatte. Während ich wie gebannt auf dieses Bild starr-
te, lief eine kleine braune Spinne - ein Weberknecht,
nehme ich an - über den Fußboden. Die Mutter
schnappte nach ihm und fraß ihn auf.
Ich floh. Auf halber Treppe fiel ich hin und zerbrach
das Bohnenglas. Mrs. Hollis verprügelte mich, und ich
betrat den Keller freiwillig nie wieder.
In Erinnerungen versunken, stand ich da und starrte auf
den Polizisten hinab.
»Beeil dich!« wiederholte Nona.
Er war viel leichter als Blanchette, oder aber mein
Adrenalinspiegel war jetzt höher. Ich nahm ihn auf die
Arme und trug ihn zum Rand der Brücke. Ich konnte die
Wasserfälle ein Stück stromabwärts kaum erkennen, und
stromaufwärts war die Eisenbahnbrücke nur ein düsterer
Schatten, wie ein Schafott. Der Nachtwind heulte, und
der Schnee peitschte mir ins Gesicht. Einen Augenblick
lang hielt ich den Bullen an meine Brust gepreßt wie ein
schlafendes neugeborenes Kind, und dann fiel mir wie-
der ein, was er in Wirklichkeit gewesen war, und ich
warf ihn in die Dunkelheit hinab.
Wir stiegen wieder in den Lieferwagen, aber der Motor
sprang nicht an. Ich versuchte es, bis mir der süßliche
Benzingeruch in die Nase stieg, dann gab ich es auf.
»Komm«, sagte ich.
Wir gingen zum Streifen wagen. Der Kurzwellensen-
der unter dem Armaturenbrett knackte und rauschte.
»Wagen vier, kommen, Wagen vier, kommen. Hören
Sie mich?«
Ich stellte ihn ab, wobei ich mir die Knöchel an etwas
anschlug, während ich nach dem richtigen Kippschalter
suchte. Es erwies sich als Schrotflinte. Vermutlich war sie
Privateigentum des Bullen gewesen. Ich reichte sie No-
na, und sie legte sie auf ihren Schoß. Ich legte den Rück-
wärtsgang ein. Der Wagen war verbeult, aber ansonsten
nicht beschädigt. Er hatte Winterreifen, und sie griffen
hervorragend, sobald wir das vereiste Stück hinter uns
hatten, das an allem schuld war.
Dann waren wir in Castle Rock. Die Straße war noch
nicht vom Schnee freigepflügt worden, und es gab keine
Reifenspuren außer denen, die wir hinterließen. Riesige
schneebedeckte Tannen ragten um uns herum empor.
Sie gaben mir das Gefühl, klein und unbedeutend zu
sein, ein winziger Bissen in der Kehle dieser Nacht. Es
war inzwischen schon nach zehn.
Während meines ersten Jahres an der Universität bekam
ich vom geselligen Treiben nicht viel mit. Ich studierte
eifrig und arbeitete nebenbei in der Bibliothek, wo ich
Bücher in die Regale stellte. Einbände reparierte und
lernte, wie man katalogisiert. Im Frühling spielte ich
Baseball.
Gegen Ende des akademischen Jahres, kurz vor den
Schlußexamen, fand im Festsaal eine Tanzveranstaltung
statt. Ich hatte gerade nichts Besseres zu tun, war auf
meine beiden ersten Prüfungen gut vorbereitet, deshalb
ging ich hin.
Der Saal war dunkel und überfüllt, und es roch nach
Schweiß. Es war eine fieberhafte Atmosphäre, wie sie [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ] - zanotowane.pl
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